Chrilles Backstübchen

Dinkel

Dinkel (Triticum aestivum subsp. spelta) oder Spelz (auch: Spelt, Fesen, Vesen oder Schwabenkorn) ist eine Getreideart aus der Gattung des Weizens und ein enger Verwandter des heutigen Weichweizens. Es gibt sehr viele Mischformen und Übergänge zwischen modernem Weizen und Dinkel, weil beide in manchen Regionen gemeinsam angebaut und auch miteinander gekreuzt wurden.[1]


Genetik:

Dinkel ist – wie auch der Weichweizen (Triticum aestivum) – mit einem hexaploiden (sechsfachen) Chromosomensatz ausgestattet. Wildformen von Dinkel und Weichweizen sind nicht bekannt, weshalb man annimmt, dass er durch Mutation aus älteren Weizenarten wie dem Hartweizen (Triticum durum) mit vierfachem Chromosomensatz, dem Emmer (Triticum dicoccum) oder dem Einkorn (Triticum monococcum), einer steinzeitlichen Form, entstanden ist.

Geschichte:

Die ältesten Funde von Dinkel stammen aus Westarmenien und den Tälern des Ararat-Gebirges (6. bis 5. Jahrtausend v. Chr.). Weitere Funde stammen aus Bulgarien (3700 v. Chr.), Rumänien (Hărman, Körös-Kultur)[2], Polen und Südschweden (2500 bis 1700 v. Chr.) sowie Dänemark (1900 bis 1600 v. Chr.)[3] In der Jungsteinzeit wurde Dinkel in Mittel- und Nordeuropa (vor allem im Alpenraum) angebaut, was archäologische Funde beweisen.[4] Ab 1700 v. Chr. kam er in der heutigen Deutschschweiz vor. Im 18. Jahrhundert war Dinkel ein wichtiges Handelsgetreide. Das Wort Dinkel erscheint in den Ortsnamen Dinkelsbühl und Dinkelscherben sowie deren Wappen (jeweils drei Ähren). Daran kann abgelesen werden, wie hoch dieses Getreide geschätzt wurde.

Die Tradition, dass ein Teil des Dinkels schon vor der Reife, also noch grün geerntet wird, stammt aus dem Bedarf an nährstoffreichen Grundnahrungsmitteln für die Feldarbeit im Sommer. Das unreife Getreide, Grünkern genannt, ist nicht lagerfähig, weshalb es gedarrt, d. h. getrocknet wird. Grünkern ist nicht backbar, es kann zu Suppen oder Grünkernküchle verarbeitet werden.

Im 20. Jahrhundert verringerte sich der Anbau, da er schlechte Ernteerträge erbrachte. Außerdem ist das Spelzgetreide schlecht zu verarbeiten und backtechnisch kompliziert. In neuerer Zeit erlebt dieses Getreide wieder eine gewisse Renaissance, insbesondere im Biobereich, wohl auch, weil es von vielen Allergikern geschätzt wird. Insbesondere bei Baby- und Kindernahrung bildet Dinkel mittlerweile eine beliebte Alternative zu anderen Weizenarten. Dinkel ist außerdem fester Bestandteil der modernen Hildegard-Medizin, die sich auf die mittelalterliche Mystikerin Hildegard von Bingen beruft.[5]
Anbau

Dinkel wird in jüngerer Zeit wieder verstärkt angebaut. Die Anbaufläche in Deutschland wurde auf über 50.000 ha ausgeweitet. Die Anbaufläche in der Schweiz (5000 ha) wuchs zwischen 2014 und 2017 um 41 %.[6] Typische Anbaugebiete sind Baden-Württemberg (Sorten: Bauländer Spelz, Schwabenkorn), die Schweiz (Sorten: Oberkulmer Rotkorn, Ostro), Belgien (Spelt, Rouquin), Finnland (Speltti) und Asturien, Nordspanien (Escanda).

Auch im Mittelburgenland zählt Dinkel zu den früher stark vertretenen Getreidesorten. Wegen der aufwendigen Kultivierung ging zwar der Anbau zurück, ist aber seit den 1980er Jahren wieder verstärkt vertreten. Aus diesem Grund wurde die Kultivierung als Mittelburgenland Dinkel in das österreichische Register der Traditionellen Lebensmittel aufgenommen, sowie die Gegend in die Genuss Region Österreich aufgenommen.[7] Die Sorte Franckenkorn wurde von Peter Franck gezüchtet, der Name hat mit der Region Franken nichts zu tun.

Im Moment werden nur Winterdinkelsorten angebaut. Es gibt in Deutschland keine zugelassene Sommerdinkelsorte. Das wichtigste Züchtungsziel ist momentan die Standfestigkeit der Ähren. Daher haben die kurzen Dinkelsorten (Franckenkorn und Zollernspelz) Vorteile gegenüber den langen Dinkelsorten (Oberkulmer Rotkorn und Bauländer Spelz).

Dinkel verträgt nicht so viel Stickstoff in der Düngung wie Weizen. Im Ertrag bleibt der Dinkel zwar hinter dem Weizen zurück, er verträgt jedoch ein raueres Klima als dieser. Seine früher behauptete bessere Resistenz gegen Krankheiten als beim Weichweizen trifft auf die heutigen Sorten nicht mehr zu. Der größte Teil der Dinkelsorten ist anfällig bis hochgradig anfällig für Echten Mehltau (Blumeria graminis) und Braunrost (Puccinia triticina).[3] Mutterkorn stellt hingegen eine geringere Gefahr dar.[8]

Bei den Sorten Oberkulmer Rotkorn und Schwabenkorn handelt es sich um typisch „reine“ Dinkelsorten. Dagegen konnte beim Franckenkorn die Weizeneinkreuzung durch Nachweis der für Weizen typischen ω-Gliadine gezeigt werden.[10] Andere Quellen postulieren dennoch auch beim Franckenkorn eine typische „reine“ Dinkelsorte.[11][12]

UrDinkel ist eine in der Schweiz gebräuchliche Marke für Dinkel aus vorgegebenem Anbau. Sie garantiert die ausschliessliche Verwendung von alten Schweizer Dinkelsorten, die nicht mit modernem Weizen gekreuzt wurden.
Verarbeitung

Anders als beim Weizen und wie auch bei der Gerste ist das Korn des Dinkels fest mit den Spelzen verwachsen. Dadurch ist es zwar besser geschützt, die Verarbeitung erfordert aber einen zusätzlichen Verarbeitungsschritt – es wurde früher auf einem „Gerbgang“ entspelzt (gegerbt oder geröllt). Dies ist ein Mahlgang („Unterläuferschälgang“), bei dem der Abstand zwischen den Mahlsteinen größer gewählt wurde, damit das Korn von den Spelzen befreit, aber nicht schon zerkleinert wurde. In modernen Getreidemühlen wird Dinkel mit Hilfe von Gummiwalzenschälern oder Vertikalschleifern entspelzt.

Dinkel spielt im Bereich der Nutztierfütterung lediglich bei der Pferdezucht eine gewisse Rolle, dort erlebt er seit einigen Jahren eine Renaissance. Man verwendet dabei entweder den vollständigen Dinkel (also inklusive Spelz) oder nur dessen Spelz.
gekochter Dinkelreis

Als „Dinkelreis“ werden entspelzte und geschliffene Dinkelkörner bezeichnet. Durch diese spezielle Vorbehandlung erhält das Korn reisähnliche Eigenschaften und kann auch in gleicher Weise weiterverarbeitet werden.

Typische Produkte aus Dinkelmehl sind Dinkelnudeln und Dinkelbrote wie Schwäbische Seelen und Knauzenwecken.
Backtechnische Eigenschaften

Obwohl Dinkel einen hohen Proteingehalt hat, sind Teige aus Dinkelmehl im Vergleich zu Weizenteig schwieriger zu handhaben. Die backtechnischen Eigenschaften von Dinkel- und Weizenteigen werden vor allem durch die Proteine Gliadin und Glutenin bestimmt. Dinkel enthält im Verhältnis mehr Gliadin, das den Teig geschmeidig macht, jedoch weniger Glutenin, das für ein stabiles Klebergerüst im Teig sorgt.[13][14] Außerdem weist Dinkelteig meist einen höheren Wassergehalt auf (29,2 bis 31,7 %) als Weizenteig (etwa 23,4 %).[15] Daher sind Dinkelteige geschmeidig und gut dehnbar, aber weniger formstabil und dazu reißempfindlich, weshalb die Gefahr einer Überknetung besteht. Das Gluteningerüst kann durch Zugabe geringer Mengen (etwa 0,008 %) Ascorbinsäure stabilisiert werden, welche durch eine Reihe chemischer Reaktionen die Bildung von dreidimensional vernetzenden Disulfidbrücken begünstigt.[16] Im Biobereich kann ersatzweise 0,1 % Acerolakirschpulver verwendet werden, das als wirksamen Bestandteil ebenfalls Ascorbinsäure enthält.[9]